Hauttöne in der Porträtfotografie
Veröffentlicht von Rüdiger Heim in Bildbearbeitung · 26 September 2022
Tags: Hautton, Pigmente, Fotografie
Tags: Hautton, Pigmente, Fotografie
[Lesedauer: 4 Minuten]
Hauttöne in der Porträtfotografie
Der Schriftsteller Alexander Spoerl wurde mit seinem 1950 erschienen Buch »Memoiren eines mittelmäßigen Schülers« bekannt und ätzte zu dieser Zeit über Farben in der Fotografie: „Die schlechtesten Farbfotos sind die bunten.“
Vielleicht lag es an seiner selbstbezichtigten Mittelmäßigkeit oder an der damals noch nicht hinreichenden Farbstabilität vieler Negativfilme, dass der Schriftsteller zu dieser Einschätzung kam, aber eigentlich sollte der Eindruck von Farbfotos deutlich natürlicher und wirklichkeitsnäher sein als der von Schwarz-Weiß-Aufnahmen ...
Farben unterstützen also den emotionalen und gestalterischen Ausdruck einer Fotografie und mit den heute verfügbaren Tools in den Bildbearbeitungsprogrammen können wir Farben, Farbtemperaturen oder Farbkontraste verändern und eine Bildwelt schaffen, die es so vielleicht gar nicht gegeben hat, aber eine bestimmte Stimmung sehr gut transportiert.
Damit wird die bewusste Farbgestaltung ein besonderes Merkmal für die atmosphärische Wirkung einer Fotografie - und das gilt natürlich auch für Film- und Videoproduktionen.
An einer Stelle sind wir allerdings nur selten bereit, einen künstlich wirkenden Farbeindruck zu akzeptieren: Hauttöne müssen sehr weitgehend jenen entsprechen, die wir von gesunden Personen erwarten, sonst verletzt das unser Empfinden und den positiven Bildeindruck.
Die Farben von Augen, Haut und Haaren sind genetisch bestimmt und hauptsächlich durch die Anteile an Melanin und Karotin vorgegeben. Das sind die beiden Pigmente, die für die Braun- und Gelbtönung verantwortlich sind. Die unterschiedlichen Ausprägungen der Hautpigmente hängen von der Anzahl, der Größe und der Verteilung der Melanosomen ab; ein höherer Anteil von Eumelanin macht die Haut dunkler. Aber der Hautton wird auch durch die Sichtbarkeit der Blutgefäße beeinflusst, die für eine Rosa- oder Blautönung der Haut sorgen. Je geringer die Pigmentierung der Haut ist, desto deutlicher erkennbar sind die Gefäße.
Felix von Luschan (1854 - 1924) entwickelte die nach ihm benannte „Von-Luschan-Skala“ mit 36 unterschiedlichen Farbstufen zur Bestimmung der Hautfarbe. Sehr viel später, nämlich 1975 veröffentlichte der Dermatologe Thomas B. Fitzpatrick eine neue Klassifikation für Hauttypen. Diese Phototypen-Skala ist heute sehr etabliert und umfasst insgesamt nur 6 verschiedene Hauttypen:
- Porzellan-Teint (keltischer Typ),
- heller Teint von Personen aus dem nördlichen Mitteleuropa,
- hell olivbrauner Teint von Personen aus Mitteleuropa,
- dunkel olivbrauner Teint von Personen aus dem Mittelmeerraum, aus Südamerika und Teilen Asiens,
- dunkle Teints – braun oder schwarz – mit olivbraunen oder rötlichen Untertönen.
Für diese unterschiedlichen Hauttypen finden sich jeweils individuelle Anteile von Rot, Grün und Blau (RGB) bzw. das für die Korrektur von Hauttönen in der Fotografie sehr viel häufiger eingesetzte CMYK-Modell mit Anteilen an Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz.
Der Cyan-Wert ist ein Maß für den Bräunungsgrad der Haut; der Hautton selbst leitet sich aus dem Verhältnis von Magenta zu Gelb ab.
Beim hell olivbraunen Teint, der bei Personen aus Mitteleuropa dominiert, sind die Cyan-Anteile zwischen einem Drittel und der Hälfte von Magenta. An dieser Stelle sind wir sehr empfindsam: Wenn der Cyan-Anteil kleiner als 30% des Magenta-Anteils ist, dann wirkt die Haut zu braun, und wenn Cyan größer als 50% von Magenta ist, dann hat die Haut einen sofort erkennbaren Blaustich. Wir erkennen solche Nuancen selbst dann, wenn wir im visuellen Bereich nicht besonders geschult sind. Deshalb ist es so wichtig, dass Hauttöne in der Fotografie, speziell in der Porträtfotografie möglichst wirklichkeitsgerecht dargestellt werden.
Der Prototyp mitteleuropäischer Haut wird im CMYK-Farbmodell oftmals mit den Werten 15, 45, 55, 0 beschrieben. Solche Werte gelten als Referenz, wenn es darum geht, an Stirn, Kinn oder Hals den Hautton zu bestimmen oder zu korrigieren.

Damit sind Farbanpassungen speziell in der Porträtfotografie also recht einfach möglich und stellen sicher, dass wir einen realistischen Eindruck zu Personen und Hauttönen bekommen. Denn hier verzeihen wir künstlich wirkende Farben eigentlich nicht: Wenn Personen und größere Hautflächen im Bild gut zu sehen sind, dann sollten deren Hauttöne dem individuellen Typ sehr weitgehend entsprechen. Im CMYK-Farbmodell gibt es hierzu sehr gute Referenzwerte, die gerade für die Arbeiten von Porträtfotografen wichtig sind.
Betrachten wir hierzu ein kleines Beispiel: Bei dem folgenden Outdoor-Porträt steht die porträtierte Person - eine Frau mit mitteleuropäischen Hauttyp - im Schatten eines Säulengangs und die Gesichtshaut sollte deshalb unter dem Eindruck der Farbtemperatur des Tageslichts nahe an obigen Referenzwerten liegen. Allerdings nutzen gerade Frauen häufig Make-up, weshalb sorgfältig die maßgeblichen Hautstellen für die Identifikation des Hauttons auszuwählen sind. Stellen im Stirn- oder Wangenbereich bieten sich dann nicht zwangsläufig dafür an, den tatsächlichen Hautton zu bestimmen, denn dort kann es durch den Auftrag von Make-up zu teilweise deutlichen Verschiebungen kommen. Deshalb habe ich bei diesem Porträt den Hals ausgewählt, um den aktuellen Hautton zu bestimmen. Hierfür habe ich einen gewissen Bereich selektiert - eine Fläche von etwa 10x10 Pixeln - und für diesen Bereich mit einem entsprechenden Filter die durchschnittliche Farbe festgestellt [1]. Die dort identifizierten Werte im CMYK-Modell sind: 30, 45, 51, 3 - gut erkennbar ist der Cyan-Wert deutlich zu hoch und verursacht einen deutlichen Blaustich der Haut, und gleichzeitig ist Gelb (Y) nur rund 10% größer als Magenta (M).

Damit ist recht einfach abzuleiten, in welche Richtung der Farbeindruck der Haut zu korrigieren ist: Wir sollten (C)yan deutlich reduzieren und (Y) Gelb etwas erhöhen. Da wir üblicherweise im Farbraum RGB arbeiten, bedeutet dies, dass wir mit den entsprechenden Komplementärfarben eingreifen müssen. Deshalb erhöhen wir - hier mittels der Gradationskurven - den (R)ot-Anteil, um das (C)yan zu reduzieren. Und danach reduzieren wir - wieder mittels der Gradationskurven - den (B)lau-Anteil, um damit das (Y) Gelb zu erhöhen. Das Ergebnis dieser Korrekturen [2] sieht schon erkennbar besser und realistischer aus als das Originalbild. Jetzt ist die Haut nur noch etwas zu dunkel, was aber leicht mit einer Anpassung der Helligkeitswerte zu verändern ist [3]. Damit erreichen wir final einen Hautton, der mit den CMYK-Werten 17, 45, 56, 0 beschrieben wird und damit den Referenzwerten des mitteleuropäischen Hauttyps gut entspricht.
Die Identifikation und Korrektur von Hauttönen lässt sich mit den bekannten Bildbearbeitungsprogrammen - z.B. Adobe Photoshop oder Affinity Photo - recht einfach durchführen ... es ist ein Aufwand, der sich lohnt und gerade in der Porträtfotografie notwendig ist.